„Eingliederungshilfe neu denken“

Stellungnahmen zum Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)Text von Michael Schreckenberger (Arbeitskreis Freier Träger im Landkreis Cuxhaven)

Was das das Bundesteilhabegesetz fordert…

Cuxhaven. Unter diesem Motto fand am 02.06.2016 die 14. Cuxhavener Fachtagung im KuBi (Kulturbistro der Lebenshilfe) statt. Der Arbeitskreis Freier Träger im Landkreis Cuxhaven (siehe Kurzinfo) hat diesem hochaktuellen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, welches die Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen neu „ordnet“, eine informative, aber auch kritische Veranstaltung gewidmet.

Ruth Coester, Rechtsanwältin und Referentin für Sozialrecht des Bundesverbandes evangelischer Behindertenhilfe aus Berlin lobte in Ihrem Referat sehr deutlich zentrale Neuregelungen des Bundesteilhabegesetzes, kritisierte aber auch einige, die sie als nachteilig für Menschen mit Behinderungen beurteilt: Hierzu gehören zum Beispiel Beschränkungen beim Zugang zu Unterstützungsleistungen oder die Möglichkeit, dass in spezifische Regelungen der Gewährung von Hilfen je nach Bundesland  ungleiche Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen festschreiben. Das Bundesteilhabegesetz in seinem momentanen Entwurfsstadium schreibt weiterhin fest, dass Teilnehmer der Cuxhavener FachtagungMenschen in Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe keinen gleichberechtigten Zugriff auf Pflegeversicherungsleistungen haben und somit die Gefahr besteht, in klassische Pflegeeinrichtungen „abgedrängt“ zu werden. Grundsätzlich positiv beurteilte Frau Coester den deutlichen Willen des Gesetzgebers den Mensch mit Behinderung zielgerichtet „personenzentriert“ zu unterstützen und nicht wie bisher die Institutionen.

Karl Stengler, Lehrbeauftragter der Universität Hamburg und ehemaliger Geschäftsführer einer großen sozialen Einrichtung in Hamburg hat deutlich die praktischen Konsequenzen des Bundesteilhabegesetzes für die Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe mit ihren Mitarbeitern aufgezeigt. Ein „weiter so“ wird es nicht geben! Die im Gesetz festgeschriebene „personenzentrierte“ Hilfe bedeutet für viele Mitarbeiter in Einrichtungen und Dienste sehr häufig ein generelles Umdenken. Der Mensch mit Behinderung ist nun auch in finanzieller Hinsicht Kunde, der umworben sein will!

Liane Junge und Michael Timm stellen in Ihrem Beitrag ein gelingendes inklusives Modell von psychiatrischen Hilfen im Landkreis Dithmarschen vor, welches bereits in den Zielen und Inhalten den Absichten des neuen Teilhaberechts folgt. Kernziele sind  bei diesem Projekt u.a. der gemeinsame Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen  und die „Koordination der Leistungen als Dienstleistungsangebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen“. Besonders erwähnenswert ist, dass hier der „Kostenträger“ (Kreis Dithmarschen, Herr Timm) und Anbieter von Leistungen für Menschen mit Behinderungen („Brücke Schleswig Holstein“, Frau Junge) gemeinsam dieses Projekt initiiert haben, durchführen und kritisch begleiten.  

In der abschließenden engagierten Podiumsdiskussion mit den Referenten und zusätzlich dem Geschäftsführer der Elbe-Weser Werkstätten, HerrnTeilnehmer der Cuxhavener Fachtagung Heiko Reppich, als Vertreter eines lokalen Anbieters von Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen, wurden die fundamentalen Veränderungen auf allen Handlungsebenen  durch das Bundesteilhabegesetz dargestellt. Alle Beteiligten machten deutlich, dass es dringend notwendig ist dieses Gesetz zugunsten bundesweit gleicher und gerechter Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen zu verändern. Eine Umsetzung des vorliegenden Referentenentwurfs lässt in vielen Regelungen eine reale Umsetzung von Teilhabe für Menschen mit Behinderungen nicht zu!

Das Bundesteilhabgesetz soll nach dem Willen der Bundesregierung noch in diesem Jahr alle gesetzgeberischen Hürden nehmen und zum 01.01.2017 in Kraft treten. Wir hoffen, dass die konstruktiven Veränderungsvorschläge der verschiedenen Fachverbände noch in das Gesetz eingearbeitet werden, damit die Absicht des Gesetzgebers, die Vorgaben der von Deutschland ratifizierten UN Behindertenrechtskonvention einzulösen, Wirklichkeit wird. 

 

 

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