Mit 40 Jahren nochmal zur Schule

Manuela LoheIm Grunde hatte sie keine Ahnung, was sie bei der Arbeit bei einem ambulanten Pflegedienst erwarten würde. Dennoch bewarb sie sich als Urlaubsvertretung im Sommer 1995 bei der Diakonie-Sozialstation Nord. Nach 18 Jahren ambulante Pflege hat Manuela Lohe nun entschlossen, sich zur examinierten Altenpflegerin im Elisabeth-Haus ausbilden zu lassen.

„Damals war ich Anfang 20 und ich hatte keinen Plan, was ich in meinem Leben machen möchte“, erinnert sich Manuela Lohe, „In der Zeitung las ich von der freien Stelle bei der Sozialstation, also bewarb ich mich.“

Dass sie zum Einstellungsgespräch eingeladen wird, damit hatte sie eigentlich nicht gerechnet. Darum traf es sie wie der Blitz, als sie im Urlaub auf Mallorca den Termin für das Vorstellungsgespräch erfuhr. „Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um einen früheren Rückflug zu bekommen“, erzählt sie lachend und berichtet vom Vorstellungsgespräch: „Ich saß dort im Vorstellungsgespräch und hatte einen schrecklichen Sonnenbrand, auch im Gesicht, weil ich in der Sonne eingeschlafen war. Das war mir ziemlich unangenehm.“ Geschadet hat der Sonnenbrand ihrer Laufbahn bei der Diakonie-Sozialstation nicht. Sie bekam die Stelle als Pflegehelferin. Am Anfang betreute sie zwei Seniorinnen.


Damals trugen die Mitarbeiter der Diakonie-Sozialstation noch lilafarbene Kittel. Manuela Lohe lacht herzerwärmend als sie von ihrem ersten Einsatz berichtet: „Ich fuhr zu meiner Kundin und fühlte mich in diesem lila Gewand wie ein Schlossgespenst. Aber ich hatte Glück, denn auch meine Kundin fand die Kittel schrecklich. Sie sagte, dass ich das Teil bloß ausziehen solle.“ Da saß Frau Lohe nun bei ihrer ersten Kundin und hatte, mit Anfang 20,  von Haushaltsführung eigentlich überhaupt keine Ahnung. Doch die Dame, selber sehr pingelig, zeigte Manuela Lohe nach und nach, wie man sämtliche Haushaltsaufgaben ordentlich erledigt.

Manuela Lohe fiel aus allen Wolken, so sagt sie, als sie nach der ersten Woche, von Herrn Otten (heutiger Leiter des Elisabeth-Hauses) ihren Wochenenddienst per Telefon mitgeteilt bekam. „Mir hatte niemand gesagt, dass ich auch am Wochenende arbeiten muss“, erzählt sie entsetzt, „Ich dachte mir, na gut, es sind ja nur die Sommerferien, danach suchst du dir was Neues.“

Der Kontakt zu so vielen unterschiedlichen Menschen hat ihr aber so gut gefallen, dass sie weit über die Sommerferien 1995 hinaus bei der Diakonie-Sozialstation blieb. „Ich hatte so viele nette Menschen, die ich betreut habe. Doch nach all den Jahren verblassen die einzelnen Gesichter, aber ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich an die letzten 20 Jahre denke,“ beantwortet sie die Frage, ob ihr etwas in besonders guter Erinnerung geblieben ist. Sie erinnert sich an eine Kundin, die ihr jeden Morgen ein Stück Schwarzwälder Kirsch Torte bereithielt. „Das Stück musste ich essen und zwar jedes Mal, wenn ich bei ihr war. Eine andere Kundin hatte immer schon den Frühstückstisch gedeckt, damit sie sich mit mir unterhalten konnte“, erzählt Manuela Lohe, „Früher ging das noch, wir hatten  mehr Zeit für die Pflege unserer Kunden. Da konnten wir uns auch mal hinsetzen und mit ihnen reden oder ihnen einfach nur zuhören.“

Die skurrilste Geschichte erlebte sie, als sie für eine Kollegin die Urlaubsvertretung bei einem Kunden übernahm. „Irgendwie wollte meine Kollegin nicht so recht damit rausrücken, was an diesem Kunden so besonders sei“, erzählt Manuela Lohe und ihre Augen verraten, dass die Geschichte lustig wird. „Ich fuhr also dort hin und staunte nicht schlecht, als nach dem Klingeln ein Mann im blauen Kostüm mit blonder Perücke und blau geschminkten Augenbrauen die Tür öffnete.“

Nach 18 Jahren bei der Diakonie-Sozialstation führten Umstrukturierungen dazu, dass Manuela Lohe fast ausschließlich nur noch Spätdienste hatte. „Das geht mal für einen überschaubaren Zeitraum, aber auf Dauer geht das nicht“, begründet sie ihre Entscheidung, nach Versetzungsmöglichkeiten zu fragen. Sie bekam das Angebot, sich zur examinierten Altenpflegerin im Elisabeth-Haus ausbilden zu lassen.

Sie bat um eine kurze Bedenkzeit und entschied sich dafür. Mit 40 Jahren nahm sie die Ausbildung auf. Jetzt lernt sie. Krankheitslehre, Anatomie, Plattdeutsch, Tagesgestaltung für Demenzerkrankte, Politik, Recht und Ethik stehen u.a. auf dem Lehrplan. Ein Teil der Ausbildung sieht ein sechswöchiges Praktikum im Krankenhaus vor. Manuela Lohe hat sich für die Palliativstation entschieden. „Ich habe mich ganz bewusst für diesen Bereich entschieden“, erzählt sie, „Der Umgang mit dem Tod ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit.“

Sie freut sich schon auf die Zeit nach dem Praktikum. Dann kann sie zurück zu ihren Kollegen in das Elisabeth-Haus. „Ich habe noch nie so gerne gearbeitet wie jetzt,“ sagt sie freudestrahlend.

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