Feuerprobe für junge Altenpfleger

(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 05.07.2018 von Susanne Schwan)

20 Auszubildende der Pflegefachschule übernehmen im Elisabethhaus fünf Wochen die Verantwortung für den täglichen Ablauf

Geestemünde. Insulin spritzen, Tabletten geben, Essen anreichen, Hygieneeinlagen wechseln, Wunden versorgen – den Gebresten des Alters rundum liebevolle Fürsorge entgegensetzen:

 

Zum fachlichen wie menschlich anspruchsvollen Altenpflege-Beruf fühlt sich längst nicht jeder berufen. Doch ausgebildete Kräfte werden händeringend gesucht. Nun haben 20 Auszubildende zum ersten Mal zwei Stationen im Elisabethhaus eigenständig geleitet und betreut. Fünf Wochen lang haben sie bisher Gelerntes – und sich selbst – auf die Probe gestellt.

Ratternd fährt das Pflegebett höher. „Ich nehme Ihr Bein mal ein bisschen zur Seite – so – geht´s?“ Liebevoll und ruhig redet Gabriele Hetz mit der alten Dame, nestelt den Katheterbeutel unter deren Knie durch, hebt die Seniorin mit geübtem Arm-Griff vom Bett in den Rollstuhl. „Diese Techniken muss man beherrschen, um den Rücken zu entlasten.“
Die körperlichen und auch psychischen Anstrengungen des Pflegens haben die Schülerin der Ursula-Kaltenstein-Akademie der AWO nicht abgeschreckt. 51 und vierfache Mutter ist die zierliche Frau mit den strahlend grünen Augen – die älteste der 20 Auszubildenden, die jetzt im dritten Jahr kurz vor dem Examen und dem Schritt ins Berufsleben stehen.

„Es ist ein wunderbarer Beruf, die Würde der Menschen am Lebensende zu unterstützen“, sagt sie. „Sich mit dem Alter, auch dem eigenen, auseinanderzusetzen, braucht Demut und Gelassenheit.“ Gelassener als zuvor schauen ihre Mitschüler nach fünf Wochen Praxis am Pflegeheim des Diakonischen Werkes in die Zukunft. „Wir haben in den fünf Wochen hier noch einmal ganz viel gelernt, neue Methoden, Teamarbeit, auch Kontakte zu Ärzten und Apotheken geknüpft und wir durften eigene Ideen einbringen“, wirkt Thomas Schalk – mit 22 einer der Jüngsten unter den angehenden Altenpflegern – hoch motiviert.

„Es ist sehr gut, dass jeder von uns hier Gelegenheit hat, alle Bereiche, alle Aufgaben des Berufs selbstverantwortlich zu erfüllen, ob Grundpflege, Stationsleitung, Dokumentation oder die kreative Betreuung.“ Julian Schmonsees verhehlt aber nicht, „dass es für jeden von uns Momente gab, über seine Grenzen zu kommen.“ 33 ist er und mal im kaufmännischen Beruf gewesen. Mehrere der Auszubildenden schulen aus anderen Bereichen – aus Medien, Handwerk oder Verwaltung – auf Altenpflege um. „Weil wir gesucht sind und gebraucht werden“, sagt Jacob Wind. „Es ist schön, zu erleben, wie dankbar die Menschen für Unterstützung sind. Wenn sie mich anlächeln, fließt Energie“, nimmt Rubina Seegers aus dem Projekt mit. „Ich möchte noch Pflegemanagement studieren“, ist der 25-jährigen klar geworden.

Natürlich waren die fast fertig Ausgebildeten in der „Übernahme“ der beiden Stationen nicht völlig sich selbst überlassen. „Unsere Examinierten Pflegekräfte und Betreuer haben sie intensiv kontrolliert, begleitet, beraten“, betont Nicole Krieger, seit sieben Jahren Pflegedienstleiterin am Haus. „Unser Fazit: Das sind gut ausgebildete junge Leute. Das Schwierigste was es anfangs, das Vertrauen der Senioren zu gewinnen. Und kompliziert für die Auszubildenden waren die gewissenhaften Dokumentationen, die ja viele Jahre lang aufbewahrt werden.“

Nach dem einmonatigen „Crash-Test“, den das Diakonische Werk und die AWO erstmals in dieser Form organisiert haben, übernehme das Elisabethhaus wohl zwei Probanden im nächsten Jahr, so Otten. Das würde Inga Weichert freuen. „Das ist nett gewesen mit den jungen Leuten“, sagt die 86-jährige und schmunzelt: „Die dürfen mit auch gerne den Kopf waschen.“

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