Einfach mal Dampf ablassen

Leitungsteam der Arche Klinik v. l.: Heiko von Minden (Klinikpflegeleitung), Susanne Lindner (Ärztliche Gesamtleitung), Sören Huster (Leitung der Ambulanz)

(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 20.08.19 von Stefanie Jürgensen)

Hilfe für Kinder: Wenn der Alltag nicht läuft / Bei Gala Spenden sammeln für Klinik - Arche Klinik ist Bremerhavens einziges Fachkrankenhaus für Kinder- und Jugendpsychiatrie

BREMERHAVEN. Mit Schwung fliegt das Kissen durch die Luft. Dann noch eins und noch eins. Einfach mal Dampf ablassen heißt es im Toberaum der Arche Klinik in Geestemünde. Dort ist erlaubt, was überall anders tabu ist. Der Raum ist nur eines von zahlreichen Therapie angeboten der Tagesklinik, in der Kindern und Jugendlichen geholfen wird, wieder in den Alltag zurückfinden.

Die einen rebellieren in der Schule, halten sich nicht an Regeln. Die anderen kehren sich nach innen, gehen gar nicht mehr zur Schule. ,,Die einen tragen alles nach außen, die anderen ziehen sich zurück", bringt es die ärztliche Leiterin der Arche Klinik, Susanne Lindner, auf den Punkt. Genau diesen Kindern und Jugendlichen wird in der Geestemünder Tagesklinik für Kinder und Jugendpsychiatrie geholfen. Dort lernen sie ihre eigenen Stärken kennen, lernen, Anschluss unter Gleichaltrigen zu finden, lernen, im Alltag zurechtzukommen.

„Im Grunde kleben wir ein Pflaster auf die Schwächen, so dass die Stärken wieder zum Tragen kommen. Das ist unser Rezept", erklärt Susanne Lindner. 14 Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren und sieben Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren werden in der Arche Klinik jeden Tag teilstationär betreut. „Kinder und Jugendliche kommen hierher, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, den Alltag normal zu leben", erläutert Lindner. Die Jüngeren würden sich oft nicht an Regeln halten - ob in der Schule oder zu Hause. „Die Kinder sind ja nicht böse. Sie können nicht anders und irgendwann stößt das System draußen an seine Grenzen", weiß Lindner. Viele der Kinder hätten nur wenige Freunde und Probleme, sich zu konzentrieren. Sie seien in der Schule abgehängt. Bei den Jugendlichen sei es oft anders: Sie tragen ihre Gefühle meist nicht nach außen, sondern kehren sich in sich. „Sie vermeiden oft die Schule. Ohne den Schulalltag haben sie keine Freunde und bleiben zu Hause in den eigenen Wänden."

Die Kinder kommen in die Tagesklinik, weil Ärzte oder Psychologen es den Eltern empfohlen haben. „Einige kommen auch auf Wunsch der Eltern", sagt Lindner und ergänzt: „Die Eltern sind immer dabei." In der Tagesklinik haben die Kinder und Jugendlichen einen geregelten Alltag: Jeder Tag startet um 8.15 Uhr mit etwas Bewegung und einem gemeinsamen Frühstück. Danach hat jedes Kind einen eigenen Stundenplan mit Therapiestunden und Unterricht in der Klinikschule. Des Weiteren gibt es verschiedene Angebote, wie Kunst-, Musik- und Bewegungstherapie oder auch Besuche auf dem Reiterhof und Hundetherapie. Auch freie Zeit und Ausflüge stehen auf dem Plan. „Die Jugendlichen unternehmen auch Ausflüge. Sogar ein Eis zu bestellen ist für manche, die sich lange zurückgezogen haben, eine Herausforderung", weiß Susanne Lindner.

Zwischen acht Wochen und vier Monaten bleiben die Kinder und Jugendlichen durchschnittlich in der Arche Klinik. Dabei werden sie immer von ihren Eltern begleitet. Einmal die Woche verbringen die Eltern einen ganzen Tag mit den Kindern in der Klinik. Wenn sie berufstätig sind oder Kleinkinder versorgen müssen, gibt es ein kürzeres Alternativangebot. Im Laufe der Therapie werden dann nach und nach die Stärken der Kinder sichtbar. „Die Kinder und Eltern können hier erst einmal ankommen und zur Ruhe kommen. Sie sind durch die Probleme, etwa in der Schule, oft sehr belastet." Es gehe darum, Tempo rauszunehmen und Knoten zu lösen. „Der Toberaum ist da ein gutes Beispiel", sagt Lindner.

Viele Kinder wünschen sich, dort mit ihren Eltern zu toben. „Toben ist in unserer Gesellschaft eigentlich verboten, aber es ist gut, um Gefühle rauszulassen", sagt die ärztliche Leiterin. Wichtig sei auch, zu schauen, wie sich alles in den Alltag umsetzen lässt. „Am ersten Tag planen wir eine Besprechung mit allen, mit den Eltern und auch der Schule. Wir schauen, welche Probleme wir finden, welche Stärken die Kinder haben und welche Lösungen es gibt." Lindner nennt als Beispiel ein Kind, das das Bedürfnis hatte, sich zurückzuziehen, das aber in der Schule nicht konnte, „Wir müssen planen, was es braucht, damit das Ergebnis auch hält." Oft gehe es den Kindern nach der Therapie besser und nur wenige kämen wieder. „Die Kinder merken, dass sie die sozialen Kompetenzen, die sie hier gelernt haben, im Alltag anwenden können und es klappt."

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