„Die Diakonie war mein Zuhause“

Verabschiedung in der Krippe Ellhornstraße von Frau Helga Kurfeld45 Jahre und fünf Monate sind vergangen, seitdem Helga Kurfeld ihren ersten Arbeitstag in der Kindertagesstätte Wichernhaus verbrachte. Die damals 18jährige gelernte Kinderpflegerin hatte im Diakonischen Werk angerufen, um sich über freie Stellen in der Kindertagesstätte zu informieren. Wie damals oft üblich wurde ihr gesagt, dass sie einfach mal vorbei kommen sollte. Das tat Frau Kurfeld und bekam so ihre erste Stelle als Gruppenleiterin, verantwortlich für 20 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren. Zu ihren beruflichen Aufgaben gehörten in den folgenden Jahrzehnten auch noch die stellvertretende Leitung der Kita Wichernhaus sowie anschließend deren Leitung. Außerdem war sie Einrichtungsleiterin der Kita Ellhornstraße und der Krippe Ellhornstraße. Nun geht sie zum Ende des Monats in den Ruhestand.Helga Kurfeld in der Anfangszeit in der Kita Wichernhaus

Wenn Helga Kurfeld darüber berichtet, was sie in den vergangenen viereinhalb Dekaden alles gelernt hat wird schnell klar, dass sie jemand ist, der viel Wert auf Bildung legt. So hat sie neben ihrer Arbeit noch eine Ausbildung zur Erzieherin und die der Supervision absolviert. Um den Kindern Religion altersgerecht vermitteln zu können, ließ sie sich zusätzlich noch in Religionspädagogik ausbilden. Als dann irgendwann beschlossen wurde, dass auch Kinder im Alter ab 18 Monaten die Kita besuchen sollen, absolvierte sie eine Ausbildung  für Kleinkindpädagogik. Zusätzlich studierte sie an der Universität Bremen das Fach Erwachsenenbildung. So viel Fleiß und Engagement wurden 1996 belohnt. Mit der Eröffnung der Kindertagesstätte Ellhornstraße wurde Frau Kurfeld Einrichtungsleiterin der neuen Kita. Erfahrungen in der Leitung einer Kita hatte sie bereits seit 1977 gesammelt als sie stellvertretende Leiterin der Kita Wichernhaus wurde. Als dann die damalige Leiterin den Erziehungsurlaub antrat, übernahm Frau Kurfeld die Leitungsposition für vier Jahre. Als 2013 die Krippe Ellhornstraße gebaut wurde, übernahm Frau Kurfeld einen Teil der Inneneinrichtungsplanung. Sich als Krippenleiterin zu bewerben ergab sich im Laufe der Zeit. Die Möglichkeit, nochmal eine neue Aufgabe zu übernehmen und die Arbeitszeit etwas reduzieren zu können brachten Frau Kurfeld dazu, sich zu bewerben.

45 Jahre arbeiten in einer Kindertagesstätte/-krippe – da fragt sich so manch einer: „Wie geht das?“ – beinhaltet dieser Beruf doch, dass der Lärmpegel konstant hoch ist. Man muss auch viel Geduld haben, Dinge immer wieder neu zu erklären. Frau Kurfeld sagt: „Ich konnte mir nie etwas anderes vorstellen. Kinder sind für mich wunderbar und unsere Zukunft. Darum bin und war ich immer bemüht das Beste für jedes einzelne Kind zu geben, damit sie gut gerüstet ins Leben starten können.“

Frau Kurfeld selbst musste als Kind erleben, wie ungeduldig und streng ihre Lehrer mit ihr waren, wenn sie dem Unterricht nicht so folgen konnte. Dieses Gefühl war für sie ausschlaggebend im Bereich der Kindererziehung arbeiten zu wollen. Ihr Ziel war es, die Kinder in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken und ihnen so viel Wissen wie möglich während der Kita-Zeit zu vermitteln. Sie sagt: „Wir müssen Anwälte für unsere Kinder sein und in jeder Situation das Beste für sie rausholen und ihnen eine Vielfalt an Lernmöglichkeiten anbieten.“  Diesem Leitsatz folgte Helga Kurfeld in ihrem gesamten Arbeitsleben.

Vor acht Jahren erhielt Frau Kurfeld einen Anruf einer Mutter, deren Sohn vor ungefähr 20 Jahren in der Kindertagesstätte war. Frau Kurfeld  hatte sofort ein Gesicht vor Augen. Die Mutter wollte sich nach so vielen Jahren bei ihr für die intensive Betreuung und Förderung ihres Sohnes während seiner Zeit in der Kita bedanken. Ihr Sohn musste nach einer Operation am Gehirn alles neu lernen. Da aber die Grundsteine seines Wissens im Kindesalter so einprägsam vermittelt worden waren, fiel ihm das erneute Lernen wesentlich leichter, berichtete die Mutter. Mittlerweile hat er sogar ein Studium in Informatik erfolgreich abschließen können.  

Es gibt so viele Geschichten, die Frau Kurfeld erzählen könnte. Viele davon lassen den Zuhörer schmunzeln. Da gibt es zum Beispiel die Geschichte von der kleinen Mira *. Mira* war 1993 mit der Kita Wichernhaus für fünf Tage in Drangstedt. Die damals 5jährige saß ganz betrübt am Tisch und Frau Kurfeld dachte, dass die Kleine unter Heimweh leide und organisierte im Geiste schon die Heimfahrt. Doch da lag sie völlig falsch, denn als sie Mira* fragte, was sie denn so traurig mache, antwortete das Mädchen mit einem tiefen Seufzer: „Es ist so schade, dass wir das Ferienhaus nicht mitnehmen können. “Wenn Frau Kurfeld von ihren Ausflügen nach Drangstedt erzählt glitzern ihre Augen. Es sei immer eine so schöne Zeit gewesen“. „Tierisch anstrengend“, so sagt sie, „aber unvergesslich“. Nie musste ein Kind, weil es Heimweh hatte, nach Hause gebracht werden.

Andere Geschichten berühren das Herz, so wie die Geschichte des 4-jährigen Finns*. Mit großer Sorge hatte Frau Kurfeld das Erscheinungsbild und die Entwicklung des kleinen Jungen beobachtet. Sprechen konnte er kaum, die Kleidung war ganz abgetragen und eine Windel brauchte er auch immer noch. Jeden Morgen duschte sie den kleinen Finn* und gab ihm neue Kleidung. Mit viel Mühe und Geduld brachte sie Finn* bei, was es bedeutete, auf sich und seine Kleidung zu achten. In Zusammenarbeit mit der Mutter wurde schnell klar, dass diese mit der Erziehung an ihre persönlichen Grenzen kam. Gemeinsam beschlossen sie mit Hilfe des „Amtes für Jugend, Familie und Frauen“ eine Pflegefamilie für Finn* zu suchen. Als Finn* nach den Ferien in die Kita kam, trug er einen neuen Jogginganzug. Den hatte er von seiner Pflegefamilie geschenkt bekommen. Er fiel versehentlich auf die Knie, stand auf und wischte sich, wie er es gelernt hatte, den Schmutz von der Hose ab. „Das war ein sehr emotionaler Moment für mich“, erinnert sich Frau Kurfeld und noch heute bekommt sie feuchte Augen beim Erzählen dieser Geschichte.

„Viele Dinge haben sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte verändert, die Medien, die Kinder, die Eltern aber auch wir als Erzieher“, erzählt Frau Kurfeld und fügt hinzu: „Aber viele Dinge im Bildungsbereich sind heute noch genauso wichtig wie damals – beispielsweise die Verkehrserziehung, die Vermittlung von Sprache, logischem Denken sowie die spezielle Förderung kurz vor dem Schulbeginn. Sprache einsetzen und verstehen können - das ist so wichtig für die Kinder. Wir legen hiermit gemeinsam mit den Eltern die Grundsteine für ihr ganzes Leben.“

„Es war und ist immer eine Herausforderung, aber die ist dazu da, dass wir sie gemeinsam angehen und die besten Lösungen für unsere Kinder finden“, fasst Frau Kurfeld ihre Arbeit und Motivation für 45 Jahre Kindererziehung und Kindertagesstätten-Leitung zusammen. „Die Diakonie war mein Zuhause und es ist merkwürdig, jetzt in den Ruhestand zu gehen. Mir werden die Kinder und das Beobachten ihrer täglichen Fortschritte fehlen, ebenso wird mir mein tolles Team fehlen.“

Geplant für Zum 45. Jubiläum erhält Frau Kurfeld einen Baum - symbolisch für ihre tiefe Verbundenheit zum Diakonischen Werk Bremerhavenden Ruhestand hat Helga Kurfeld, dass sie ihren Hobbies mehr Zeit einräumen möchte, beispielsweise die Kursangebote für die Signal-Gebärdensprache weiter auszubauen, mit ihrem Hund Ida mehr Zeit bei der Rettungshundestaffel zu verbringen, Goldschmieden und natürlich möchte Frau Kurfeld auch noch die Welt ein wenig bereisen.

Der Vorstand, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Diakonischen Werkes Bremerhaven und seinen Tochtergesellschaften wünschen Helga Kurfeld alles erdenklich Gute für den wohlverdienten Ruhestand. Wir danken Frau Kurfeld für ihre überaus engagierte Arbeit, ihre Bereitschaft immer wieder neue Aufgabenfelder anzugehen und sich für jedes ihr anvertrautes Kind einzusetzen.

(*Namen der Kinder wurden geändert)

 

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