Der Handel braucht Wandel

(Quelle: Nordsee-Zeitung von 24.06.2013 von Gert-Dieter Meier)
Für viele ältere Menschen wird das Einkaufen zum Problem – Seniorenbeirat will aufklären und helfen

files/SST/Bildergallerien/2013/Einkaufen/DSC_0943.JPGBREMERHAVEN. Für die meisten Menschen gehört der Einkauf zum Alltag. Aber was , wenn man die Treppe im Haus nicht mehr schafft, den Weg zum nächsten Supermarkt nicht mehr packt? Der Seniorenbeirat Bremerhaven hat dazu die älteren Mitbürger zur Informationsveranstaltung „Mein Einkauf… wenn die Treppen immer schwieriger werden“ eingeladen. Ein Fazit: Noch hat der Handel keine Antwort auf die demografische Entwicklung in unserem Land.

Solange die älteren Menschen gut zu Fuß sind, ist alles gut. Dann kann man den Weg zum Bäcker, Fleischer oder zum Supermarkt nicht nur meistern, sondern den Einkauf auch nutzen, um andere Menschen zu treffen und der Einsamkeit entfliehen. Aber was, wenn schon der kürzeste Weg zu weit und selbst die eine Treppe zu viel ist? Wenn kein Auto zur Verfügung steht und das Taxi zu teuer ist?

Seit zwei Jahren kümmert sich eine Gruppe des Seniorenbeirats Bremerhaven um diese Thematik. Pastor Reinhard files/SST/Bildergallerien/2013/Einkaufen/DSC_0929.JPGNiehaus nennt die Lage „unbefriedigend“ , erläutert er den Senioren im Haus am Blink: „Der Handel geht davon aus, dass wir zu ihm kommen. Und dass seine Verantwortung an der Kasse endet.“ Genau das aber gelte es zu verändern. Das Problem: Bringdienste aufbauen, von denen auch der Handel profitiert, ist schwierig. Allerdings: Winfried Richter von „Real“ stehe dieser Thematik aufgeschlossen gegenüber. Ein weiteres Problem: Einige Händler bieten Lieferservice an, lassen sich diese aber teuer bezahlen oder verlangen Mindestbestellumsätze.

Niehaus: „Wenn da mitunter 50 Euro Mindestbestellumsatz verlangt werden, dann entspricht das dem Monatseinkauf mancher Senioren.“ Aber wer will schon den gesamten Monatseinkauf auf ein Mal abwickeln? Und das Internet? Das bietet Lösungen – sofern man dafür bezahlt;  beispielsweise einen Frischezuschlag, mitunter hohe Transportkosten.

 

Niehaus weiß, dass es, zum Beispiel am Geestemünder Wochenmarkt, durchaus mal einen Händler gibt, der einem guten Kunden die Kartoffeln nach Hause bringt. Und auch Lebensmittelmärkte liefern mitunter aus. Das aber seien Einzellösungen. Was fehle, sei eine flächendeckende Übersicht, wer was zu welchem Preis mache. Im „Vogelnest“ haben Senioren aus ihrer Einkaufsnot eine Tugend gemacht und eine Bestellgemeinschaft Tiefkühlkost gegründet. Die Gesamtbestellung landet im Kühlschrank des Seniorentreffpunkts, dort holen die einzelnen Besteller dann ihre Ware ab, sagt Ursula Borchert.

files/SST/Bildergallerien/2013/Einkaufen/DSC_0927.JPGPastor Uwe Colmsee erläutert, dass auch Freiwilligendienste wie, “SeniorPartner“ wertvolle Dienste leisten können. Aktuell seien 15 Leute in der Stadt unterwegs, die vorlesen, Behördengänge erledigen, klönen oder auch beim Einkauf helfen. Helfen wollen auch Pflegedienste, die ins Haus kommen. Die Sozialstation etwa biete Einkaufsbegleitungen an oder kaufe auch mit ein, wenn Not am Mann ist, sagt Karin Albohm von der Diakonie.

 

Und noch eine Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Senioren zu helfen: „Anti-Rost“. Der frühere Bremerhavener Sozialdezernent Wilfried Töpfer nennt die Aktion, die es mittlerweile in 17 deutschen Städten gibt, „eine Erfolgsgeschichte“. „Anti-Rost“ hilft bei den kleinen Problemen des Alltags – wenn eine Vorhangstange aufgehängt, die Fernbedienung neu eingestellt, eine Glühbirne gewechselt oder das Tischbein befestigt werden muss. 2012 gab es 260  dieser ehrenamtlichen Einsätze – Rekord!

Niehaus begrüßte ausdrücklich, dass in der Seestadt vielen älteren Menschen ehrenamtlich geholfen werde, aber man dürfe den Handel und die Politik beim Thema Einkaufen für Senioren nicht außen vor lassen: „Zu einem selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und menschlichen Leben gehört das Einkaufen selbstverständlich dazu.“ Deshalb dürfe nicht alles aufs Ehrenamt abgeschoben werden, hauptamtliche Strukturen seien notwendig. Es brauche eine Vernetzung der Dienste, mehr Informationen, engagierte Menschen in Politik und Wirtschaft. Und wohl auch, obwohl Niehaus das dezidiert nicht sagte, Senioren, die auf gute Lösungen drängen.

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